70 Jahre Barrelhouse Jazzband

Bereits 1984 und 1985 hatten die Wörrstädter Jazz-Enthusiasten Peter Lawall und Hans Günter Schweers in Lawalls Scheune auf eigenes Risiko Jazzkonzerte mit der Barrelhouse Jazzband organisiert, ehe am 14. November 1985 von Beiden der Jazzclub Rheinhessen gegründet wurde. Damals war die seit 1953 bestehende Frankfurter Band bereits über 30 Jahre alt und gilt heute als „dienstälteste“ Jazzband Deutschlands. Seitdem existiert eine Symbiose zwischen dem Verein und der Band – der Jazzclub Rheinhessen veranstaltet bis heute jährliche Konzerte mit der „Barrelhouse“ meist in Wörrstadt oder Nieder-Olm. So lag es nahe, dass die Band während ihrer Tournee zum 70-jährigen Bestehen zwangsläufig auch einen Abstecher in die Wörrstädter Neubornhalle unternahm. Jazzclub-Vorstandsmitglied Reinhold Wingert begrüßte Band und Gäste in der gut gefüllten Halle.

Mit dem Opener “When My Dreamboat Comes Home” legte die Band überaus swingend los. Es ist schon frappierend, wie die Frontline um Bandleader Reimer von Essen an Klarinette und Altsaxofon, Horst Schwarz an Trompete und Posaune sowie Frank Selten an diversen Saxofonen und Klarinette – alles drei haben die 80 schon einige Jahre überschritten – ihre Instrumente beherrschen und sich durch ebenso dynamisches wie harmonisches Spiel auszeichnen. Reimer von Essen stieß 1962 zur Band, Frank Selten ein Jahr später. In der Folgezeit aber prägten die Musiker immer stärker ein eigenes Profil mit neuen Arrangements und Kompositionen, die vor allem Horst Schwarz (seit 1971 fest bei der Barrelhouse Jazzband) zu verdanken sind.

Den verhinderten Pianisten Christof Sänger vertrat diesmal der in Deutschland lebende Engländer Simon Holliday, der sich als langjähriger Freund der Band nahtlos einfügte. Die Rhythmusgruppe vervollständigten Lindy Huppertsberg am Kontrabass, Roman Klöcker an Gitarre und Banjo sowie Michael Ehret am Schlagzeug.

Es folgten einige kreolische Titel: “Red Beans and Rice“ soll nach Auskunft von Essens das Lieblingsgericht von Louis Armstrong gewesen sein und so hieß auch der zweite Titel – komponiert 1957 von Humphrey Lyttelton – mit einem tollen Zwischenteil an Piano und Banjo. Der Blues “New Orleans Joys“ von Jelly Roll Morton aus dem Jahre 1924 war wohl die erste Komposition des alten Jazz. Die bekanntesten Kompositionen des Posaunisten Wilbur de Paris waren exotischen Inseln mit dem Anfangsbuchstaben „M“ gewidmet wie auch das Stück “Majorca“. Dem Andenken an den Altmeister auf dem Kornett Joe „King“ Oliver widmete Horst Schwarz seine Komposition “Blues for King Joe“ mit einem Trompeten Intro und gefühlvollen Passagen der Rhythmusgruppe. Mit dem “Ozark Mountain Blues“ der frühen Swingzeit endete der erste Set, wobei Michael Ehret ein fulminantes Schlagzeugsolo besteuerte.

Der zweite Set begann mit “I’ve Got My Fingers Crossed” – von Fats Waller bekannt gemacht – am Piano interpretiert und gesungen von Simon Holliday. Thomas Wright Waller war ein amerikanischer Jazz-Pianist und -Sänger. Der wegen seines stattlichen Leibesumfangs Fats genannte Jazzer hatte großen Anteil an der Entwicklung des frühen Jazz der 1920er Jahre zum Swing der 1930er und 1940er. Aber auch an einen modernen Beatles-Song wagte sich die Barrelhouse Jazzband: Paul McCartneys “Let It Be“ mit wunderschönen Gitarrenklängen von Roman Klöcker. Sodann gab Reimer von Essen im karibischen “Salée Dame“ von Albert Nicholas eine Gesangseinlage zum Besten.

Das sehr rhythmusbetonte Stück  “Take us to the Mardi Gras“ von Horst Schwarz mit einem Schlagzeugsolo von Michael Ehret beschreibt die Sehnsucht nach dem Karneval in der verruchten und verkommenen Jazzmetropole New Orleans. Ruhiger und sehr stimmungsvoll wurde es im „Blues for Fats (Waller)“, den die beiden Klarinettisten Gene Sedric und Mezz Mezzrow zum Gedenken des im Alter von nur 42 Jahren gestorbenen Fats Waller komponiert hatten. Die Posaune von Horst Schwarz und die Klarinette von Frank Selten sowie ein seelenvolles Gitarren-Solo von Roman Klöcker stachen hervor. Der Set endete mit “The Barrelhouse Showboat“ – einer weiteren Komposition von Horst Schwarz – als rollender Boogie des Pianisten und mit einem Banjo-Solo.

Reinhold Wingert bedankte sich bei den Herren der Band mit Weinpräsenten und einem Blumenstrauß bei Lindy Huppertsberg sowie auch bei Helfern und Publikum. Als Zugabe spielte die Band noch das Traditional “Rebecca“.

Ludwig Lang