Christoph Sänger Trio im Guntersblumer Kleinkunstkeller

Sollte man die Noten zählen, die ein Musiker in einem Konzert spielt, so gehört Pianist Christof Sänger sicherlich zur Spitzengruppe. Auf Einladung des Jazzclubs Rheinhessen gastierte er mit seinem Trio um Rudi Engel am Kontrabass und Tobias Schirmer am Schlagzeug im Guntersblumer Kleinkunstkeller im Kellerweg. Schnell spielen allein ist noch keine Kunst. Doch wie der Pianist abgehangenen Standards neues Leben einhaucht, gebietet Respekt. Immer hat Sänger auch den Charakter des Musikstücks im Auge, spielt schon mal ein Thema nach dem Lehrbuch, gibt aber dem Stück anschließend mit seinen swingenden trickreichen Improvisationen die Sporen. Bei aller Virtuosität bleibt er in erster Linie Traditionalist, der den zu Ohrwürmern geratenen Standards wie „Take the A-Train“ oder „On the Sunny Side of the Street“ neues Leben einhaucht.

n Guntersblum startet er mit dem eleganten JazzShuffle „Almost Like Being In Love“ aus dem Jahre 1943 von Frederic Loewe. Mit Walking Bass und Ride Becken legen Rudi Engel und Tobias Schirmer schon ein recht flottes Tempo vor. Das anschließende Ellington Stück „Take the A-Train“ ist nicht nur ein bekannter wie beliebter Swing Klassiker. Es hat auch eine interessante Vorgeschichte: Als das Orchester 1938 eine Woche in Pittsburgh spielte, nutzte der 23jährige Billy Srayhorn seine Chance und spielte Ellington auf dem Klavier  seine Songs vor. Für 20 Dollar durfte er sogleich einen Ellington Song betexten und eine weitere Nummer orchestrieren. Bevor Ellington abreiste, beschrieb er, wo er in New York zu finden war: Take the A-train to Harlem! Als Strayhorn sich zu ihm aufmachte, hatte er als Gastgeschenk die Noten und den Songtext von „Take the A-Train“ dabei. Sänger spielt das beliebte Thema energisch und mir Verve bevor er sich in rasanten nervös flirrenden Improvisationen fast verliert um am Ende punktgenau zu landen. Seine Fantasie und Spielfreude nehmen dabei im Verlauf des Konzertes fast schon manische Züge an.

Den Klassik Abstecher zu Frederic Chopins „Prelude in E-Moll“ von 1839 verbindet Sänger mit dem Bossa Nova „Insensatez“ von Antonio Carlos Jobim aus dem Jahre 1963, dessen Harmonien denen des Preludes ähneln. Schließlich war Jobim stark von Chopin geprägt. So ist es auch nicht verwunderlich, dass Klassik mit Bossa Nova Hand in Hand geht und bestens miteinander funktionieren. Technisch perfekt und locker perlend sind dabei Sängers Anschläge. Virtuos bereiten Engel und Schirmer dazu einen dichten Samba und Latin Rhythmus. Sänger gibt seinen Mitmusikern nicht nur in Solos und Zwischenspielen genügend Raum sich zu entfalten. Sie setzen in der Begleitung durchaus eigene Akzente.

Für die nächsten beiden Stücke nimmt Sänger das Tempo zurück. Joseph Kosmas „Autumn Leaves“ von 1947 ist eigentlich ein französisches Chanson von Jacques Prevert, das Eingang in die Jazzliteratur gefunden hat. Das melancholische Lied über Vergänglichkeit verliert seine sensible Poesie auch nicht in den Molltönen und verminderten Akkorden Sängers. In der Improvisation forciert Sänger das Tempo. Ein schöner inniger Kontrast zu den kaum zu bändigenden Uptempo Nummern. „Seine frappierende Technik Akkuratesse erinnert gelegentlich an Martial Solal“ schreibt Martin Kunzler beispielsweise im Rororo-Jazz-Lexikon.

Noch weiter geht der Dozent für Jazzpiano an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt mit seiner Eigenkomposition „Lakonia“, einer einem Requiem vergleichbaren traurig stillen Ballade.

Wer sich noch an Jacques Loussier erinnert, bekommt bei „Solfeggio in c-Moll” von Carl Philipp Emanuel Bach aus dem Jahr 1766 ein Deja-Vu. In Play Bach Manier spielt Pianist Sänger dieses mehrstimmige Menuett mit rasanten Sechzehntelnoten.

Die zweite Halbzeit bietet neben dem verspielten und lässig swingenden Standard von 1930 “On the Sunny Side of the Street” und der Offbeat Ballade “Just One of those Things von Cole Porter Bossa Nova, Film und Musicalmelodien. Jobims Bossa Nova “Corcovado” folgt der Filmmusik Walzer “Willow Weep for Me” von Ann Ronell aus dem Jahre 1932. Der Film “Die Marx Brothers im Theater” hat den Song in den fünfziger Jahren unsterblich gemacht. Die einst zickig anmutende Tanznummer kommt im Sänger Trio mit bluesigen Untertönen daher.

Im Endspurt geht es mit Mozarts Türkischem Marsch (Klaviersonate Nr. 11 A-Dur “Alla Turka”) noch einmal in die Vollen. Verbunden mit dem argentinischen Tanzlied “Tico Tico” steigt auch die Stimmung des Publikums zum Höhepunkt.

Zum Abschluss gibt es die mit Rührbesen gespielte sanfte Ballade “Stars fell on Alabama” und die geradlinig perkussiv gespielte Errol Garner Hommage “Misty”.  fb