“The Family of Saxophones“ mit dem „High Fly Jazz Quartett“ im Guntersblumer Kleinkunstkeller

Foto: Albert Hillesheim

Weder ein Musiker noch eine Band spielte diesmal die Hauptrolle. Das Konzert am letzten Freitag im Guntersblumer Kleinkunstkeller im Kellerweg war auch keinem prominenten Jazzer gewidmet, sondern einem belgischen Erfinder, ohne den John Coltrane, Cannonball Adderley, Dexter Gordon oder Charlie Parker – und viele andere mehr – sonst ein Instrument gespielt hätten, jedenfalls kein Saxophon. Die Hauptrolle an diesem Abend spielte der 1814 geborene Adolphe Sax. Karheinz Belzer, Vorsitzender des Jazzclub Rheinhessen, der in Zusammenarbeit mit dem Kulturverein Guntersblum Veranstalter war, konnte sich über einen vollbesetzten Kleinkunstkeller freuen.

Das „High Fly Jazz Quartett“ aus dem Rhein-Main-Gebiet begann mit „Lester Leaps In“ von Lester Young das unter dem Motto “The Family of Saxophones“ angekündigte Konzert. Neben Hauptakteur Lutz-Martin Rathsfeld an den Saxophonen vervollständigten noch Manuel Seng am Piano, Chris Rücker am Kontrabass und Axel Pape am Schlagzeug das Quartett. Letzterer gastierte bereits mit Trompeter Heiko Hubmann vor Jahresfrist im Kleinkunstkeller.

Rathsfeld hatte an diesem Abend sechs Saxophone mitgebracht und vor sich auf der Mini-Bühne aufgebaut – vom Sopranino über das Sopran-, Alt-, Tenor-, Bariton- bis zum Kontrabass-Saxophon. Während Kontrabass und Schlagzeug noch Platz auf der Mini-Bühne fanden, musste das E-Piano im Flur links von der Bühne aufgebaut werden. Nach einer kurzen Erklärung zu den Saxophonen spielte Rathsfeld in „All Blues“ das Sopranino, das noch am ehesten an die Trompete von Miles Davis herankam.

Der 1814 in der belgischen Provinz geborene Adolphe Sax war das älteste von elf Kindern eines Instrumentenbauers. 1925 übersiedelte die Familie aus geschäftlichen Gründen nach Brüssel. Sax war ein genialer Erfinder, aber ein miserabler Geschäftsmann, der mehrmals in Konkurs ging und mit 80 Jahren verarmt starb.

Charlie Parker, Benny Carter, Lou Donaldson, Charlie Mariano waren herausragende Altsaxophonisten. Rathsfeld stellte das Instrument mit dem Titel „The Night Has A 1000 Eyes” vor. Die Ballade „You Don’t Know Was Love Is“ intonierte Rathsfeld mit dem Bariton-Sax, dessen wichtigste Interpreten Gerry Mulligan und Pepper Adams waren. Mit „Mr. P.C.“, das John Coltrane seinem Bassisten Paul Chambers widmete, beendete Rathsfeld mit dem Tenor-Saxophon den ersten Set. Ohne dieses Instrument wäre die Entwicklung des modernen Jazz – insbesondere des Bebop und Hardbop – nicht denkbar gewesen.

Mit „Fungii Mama“ von Blue Mitchell mit lateinamerikanischem Calypso-Feeling begann der zweite Set mit dem Sopran-Saxophon. Mit lustigen Anekdoten amüsierte Rathsfeld das Publikum: „Was hatte Richard Wagner mit Adolphe Sax zu tun? Als Wagner in Paris den Tannhäuser aufführen wollte, konnte er die 12 Waldhörner für die Jagdrufe im ersten Akt nicht zusammenbekommen und musste sich mit irgendwelchen Saxophonen von Adolphe Sax zufrieden geben.“ Es folgte Charly Parkers „Yardbyrd Suite“ mit dem Altsaxophon, bevor das gewaltige Kontrabass-Saxophon in Duke Ellingtons  „In A Sentimental Mood“ zum Einsatz kam. Der Grund für die Entwicklung von Bass- und Kontrabass-Saxophon lag daran, dass es zu dieser Zeit noch keine Verstärker für den Kontrabass gab und ein Instrument benötigt wurde, das dem Bass in großen Orchestern mehr Geltung verschaffte.

Das am Schwersten zu spielende Saxophon ist das kleinste: das Sopranino. Ein Sopransax spielender Amateurmusiker aus dem Publikum schaffte es nicht, dem Mini-Instrument einen vernünftigen Ton zu entlocken. In Duke Ellingtons „Caravan“ setzte Rathsfeld das Sopranino  nochmals ein. Mit  Rathsfelds Eigenkomposition „My Blues“ auf dem Tenor und „St. Thomas“ von Sonny Rollins auf dem Sopran als Zugaben endete ein abwechslungsreicher und sehr informativer Jazzabend mit stehenden Ovationen.

Ludwig Lang