Begeisterung bei Riverboat-Shuffle 2017

Riverboat-Schuffle-2017

Trotz hervorragenden Wetters kann Jazzclub-Vorsitzender Karlheinz Belzer nur etwa 200 Gäste bei der 21. Riverboat-Shuffle des Jazzclub Rheinhessen begrüßen. Aber der Stimmung an Board tut dies keinen Abbruch. Eine kräftige Brise trägt die Harmonien der traditionellen Jazz-Stile New Orleans und Swing über den Strom hinweg, auf dessen Fluten die “MS Vater Rhein“ flussabwärts treibt. Sommerliche Abendstimmung und “a wonderful swinging“ garantieren einen besonderen Ausflug akustischer und optischer Freuden zwischen Bingen und der Loreley. Die beiden Bands “Jazz Dampfer“ und das “Peter Glessing Swingtett“ zaubern mit ihrem Jazz eine prächtige New Orleans-Atmosphäre, die freudig aufgenommen wird. Die immer wieder beeindruckende Kulisse rechts und links des Rheins ergänzt den musikalischen Genuss vollkommen.

Im Oberdeck genießen die Freunde des traditionellen Jazz den “Jazz-Dampfer“ aus dem Raum Mannheim. Mit ausgelassener Spielfreude präsentiert das Septett vorwiegend Standards aus dem Bereich des New Orleans-Jazz. Der Jazz-Dampfer lichtete bereits 1974 seinen Anker und ist somit die am längsten bestehende traditionelle Jazzband im gesamten Rhein-Neckar-Raum. Nach einigen Jahren in der „Werft“, fährt der Dampfer seit 2010 wieder mit voller Kraft voraus und erfreut seine alten und neuen Anhänger mit flott swingendem Dixieland. Angetreten ist die Band mit Hermann Ruffler (tp), Michael Schröder (tb), Freddie Münster (cl/sax/voc), Volker Heinz (p), Dierk Frerichs (bj/g), Rainer Saam (b) und Rainer Pfohl (dr). Als besondere Leckerbissen ist mit dem kanadischen Banjoplayer Tim Allan noch ein Stargast an Bord, der mit tollen Soli die zahlreichen Besucher des Oberdecks begeistert.

Da es bei tollem Wetter viele Gäste auf das Freideck zieht, um die tolle Kulisse auf beiden Seiten des Rheins zu genießen, beginnt das “Peter Glessing Swingtett“ den ersten Set im Unterdeck vor lediglich einer Handvoll Zuhörern. Bei Musikern und Gästen drückt das auf die Stimmung. Deshalb entschließen sich die Organisatoren, das Quartett auf das Freideck umzusiedeln. Nachdem E-Piano, Schlagzeug und Verstärkeranlage zwei Stockwerke höher transportiert und wieder aufgebaut sind, gibt es nun auch Live-Jazz für die vielen Gäste des Freidecks. Als Kontrast zum New Orleans auf dem Oberdeck liegt der Schwerpunkt beim Swing, aber auch Bossa Nova, Gospel, Klezmer, Soul-Jazz, Boogie, New Orleans und vor allem Blues werden dargeboten. Die Stärken von Peter Glessing liegen im Abwechslungsreichtum der Stile und in der Eigenwilligkeit, wie er mit Saxophon und Klarinette umgeht. Begleitet wird Glessing von Philip Wibbing am Piano und Götz Ommert am Kontrabass sowie Peter Fahrenholz am Schlagzeug. Auch die Herren der Rhythmusgruppe haben ihre beklatschten Soli, aber Glessing ist der Star, auf den alle Blicke gerichtet sind. Ob auf Tenorsax oder Klarinette, ob bei tragenden Bluesnoten oder explosiven Ausbrüchen in schräge Soli, Glessing hat einen atemberaubend brillanten Ton und ein Harmoniegefühl, wie man es nur bei den Großen seines Instrumentes findet. Mit dem für ihn typischen, „hauchigen, rotzigen“ Saxophon-Sound interpretiert er Swing-Standards wie “Sentimental Journee“ auf höchst eigenwillige Art. Aber er kann auch anders: Leise und melancholisch spielt er den „Blues From Louisiana“, den sein Vorbild Illinois Jacquet seinem Heimatland gewidmet hat. Vielfach baut er Passagen anderer Songs geschickt ein, so dass fast jedes Stück zum Medley wird. In Gershwins “Oh, Lady Be Good“ wechselt er zur Klarinette, aus der er Töne bis in die höchsten Lagen hervorzaubert.

Wer lieber unter Deck den traditionellen Jazz des aus dem Raum Mannheim/Heidelberg angereisten Oktetts genießen möchte, kommt im Oberdeck voll auf seine Kosten. Der “Kapitän“ und seine “Matrosen“ verstehen ihr musikalisches Handwerk aus dem Effeff wie sie es bei zahlreichen, auch überregionalen Auftritten z.B. in England, erfolgreich bewiesen haben. Leader Freddie Münster moderiert kenntnisreich und unterhaltsam zwischen den Stücken. Häufige Gesangseinlagen von ihm, aber auch von Pianist Volker Heinz und Dierk Frerichs sorgen für Abwechslung. Dass Jazz nicht nur eine hörbare Musik ist, sondern auch zum Tanzen geeignet ist, demonstrieren einige Paare, die zwischen den Stuhlreihen das Tanzbein schwingen.

Im dritten Set setzt Peter Glessing, der seine komplette Familie mit an Bord hat, seinen Sohn Benjamin an die Congas, was einigen lateinamerikanisch geprägten Stücken wie Ellingtons “Caravan“ oder Hancocks “Watermelon Man“, das Mongo Santamaria 1963 zum Welthit machte, eine besondere Note verleiht.

Die mehr als vier Stunden zwischen Bingen und der Loreley vergehen bei bester Stimmung viel zu schnell. Bereitwillig gibt es von beiden Bands noch Zugaben, bis auch die letzten Gäste wieder festen Boden unter den Füßen haben. Trotz des diesmal schwachen Besuchs soll die jazzige Rheinfahrt auch 2018 wieder stattfinden, dann allerdings wieder am Sonntagmorgen (10.06.) um 11.00 Uhr.

Ludwig Lang