Barrelhouse Jazz Gala 2009

Diese Stimme ergreift und rührt an. Eine enorme emotionale Kraft geht von ihr aus, wenn Brenda Boykin den Spiritual „Oh what a friend, Jesus“ anstimmt – voluminös und tragend in der weiten Runde der ausverkauften Nieder-Olmer Eckes-Halle, kraftvoll den Ton unglaublich lange haltend und voller Inbrunst, so wie die farbige Sängerin es in ihrer heimatlichen Baptisten-Gemeinde in Nord-Oakland von Kind auf zelebriert hat. Der Star-Gast der Frankfurter Barrelhouse Jazzband fasziniert aber auch, wenn sie lasziv das balladeske „Mood Indigo“ aus der Feder von Duke Ellington ins Mikrophon haucht oder auf „dem Grat von Rockn´Roll und Jazz“ wandelt, zu dem ostinat marschierenden Kontrabass von Cliff Soden und den durchlaufenden Swing-Rhythmen des Schlagzeugers Michael Ehret bei „Crazy little mama“ singt, scattet oder den Kansas City Blues shoutet.

Wo wäre heute der frühe Jazz, wenn die Barrelhouse Jazzband mit ihrem rührigen Leiter Reimer von Essen ihn nicht pflegen und weiterentwickeln würde. Er verstaubte möglicherweise in Archiven, statt mehrere hundert Fans aus gesamten Region in eine Festhalle im Mainzer Umland zu locken. Neben der erfrischenden und kreativen Präsentation des traditionellen Jazz unter dem Motto „Another night in New Orleans“ sind Konzerte der Band immer auch pädagogisch wertvoll. Der Klarinettist und Saxophonist von Essen erzählt charmant von James P. Johnson, der „Old Fashioned Love“ komponierte und von Josephine Baker, die in dem zughörigen Broadway-Musical im legendären Bananenröckchen tanzte. Die Barrelhouse leitet die Komposition mit einem reizvollen mehrstimmigen Bläsersatz ein. Sie ehrt Jelly Roll Morton, der von sich behauptet, der Erfinder des Jazz zu sein, mit „The New Orleans Joys“ aus dem Jahr 1905, in der Morton kreolische Rhythmen mit dem Blues und dem Jazz-Beat verbindet.

Markenzeichen der Jazz-Galas ist seit vielen Jahren der Auftritt von Gästen aus New Yorks Harlem oder New-Orleans. Dieses Mal sind es der Saxophonist Roderick Palin, der Posaunist Rick Trolsen und der Trompeter Charlie Fardella. Trolsen spielt seine Posaune kraftvoll und sonor, dabei aber so diszipliniert, dass er auch ein Solo mit perlenden Single-Note-Ketten des Gitarristen Roman Klöcker begleiten kann, Paulin bläst sein Saxophon warm und soulig, animiert das Publikum in einem Calypso zum Mitsingen. Fardella erweist sich als ein routinierter High-Note-Spezialist und reißt das Publikum in „Back home to Indiana“ mit einer Armstrong-adäquaten Vokal-Einlage mit.

Bluesgerecht färbt die Pianistin und Sängerin Eden Brent aus dem Mississippi-Delta als Solistin zum Beginn des zweiten Teiles in diesem dreistündigen Konzert ihre Stimme verrucht bis ordinär, hämmert den Blues und Boogie mit hartem Anschlag in die Tasten. Jazz-Blues-Gospel, Pop und Boogie fließen in ihren temperamentvollen Songs zusammen.

Dass zum Finale alle Künstler gemeinsam dem Jazz und dem einladenden Jazzclub Rheinhessen mit Tutti und Soli huldigen, hat ebenso Tradition, wie das Lob, das Moderator und Tournee-Leiter Dieter Nentwig dem rührigen Club spendet, der im kommenden Jahr 25-jähriges Bestehen feiert.

Klaus Mümpfer